Wie umgehen mit Studienergebnissen und wissenschaftlicher Unsicherheit

15. Dezember 2023
  • Wie können wissenschaftliche Laien im Rahmen öffentlicher Diskussionen Studienergebnisse und Expertenmeinungen bewerten? Wie gelingt es, Fallen wie falscher Balance („False Balance“) oder gar falschen Informationen („Fake News“) zu entgehen?
  • Eine gute Richtlinie: Wenn Experten unterschiedliche Standpunkte vertreten, sollte man immer danach fragen, was der wissenschaftliche Konsens ist. Außenseitermeinungen zu einem Fachgebiet haben nicht den gleichen Stellenwert wie die Ergebnisse, auf die sich die überwiegende Mehrzahl von Wissenschaftlern zu einer Fragestellung geeinigt haben.
  • Das Nichtvorhandensein eines Effekts lässt sich in der Wissenschaft nicht beweisen – Argumente, die darauf abstellen, sind nicht stichhaltig. Aber wissenschaftliche Ergebnisse liefern eine valide Abschätzung zu Risiken und Effekten, die bei der eigenen Bewertung helfen.

Bei Fragen wie „Ist der Klimawandel vom Menschen verursacht?“ oder „Ist Mobilfunk ungefährlich?“ wird in der Regel mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung und Studien argumentiert. Für Laien ist es dann schwierig, auf dieser Basis zu einem eigenen Urteil zu kommen. Befürworter und Gegner führen Studien an, die ihre Sichtweise stützen sollen. Und wer die Argumente der Gegenseite widerlegen will, verweist bisweilen darauf, dass die Wissenschaftler ja selbst sagen, ihre Ergebnisse seien mit Unsicherheiten behaftet.

Wie kann man ohne wissenschaftliche Ausbildung und ohne in die Details jeder angeführten Studie und jedes Forschungsergebnisses einzutauchen, mit solchen Themen umgehen? Wie lässt sich auch bei scheinbar widersprüchlichen Ergebnissen ein fundierter eigener Standpunkt finden?

Das ist das Thema der aktuelle Folge unseres Podcasts „MobilfunkTalk“. Um die beschriebenen Fragestellungen zu beantworten, sprechen wir mit Professorin Dr. Astrid Kause von der Leuphana Universität Lüneburg. Sie forscht dazu, wie wissenschaftliche Laien Risiko und Unsicherheit wahrnehmen. Ihr Spezialgebiet ist der Bereich des menschlichen Entscheidens mit besonderem Fokus auf Verhalten und Risikowahrnehmung im Kontext von Nachhaltigkeitsfragen.

 

Immer nach dem wissenschaftlichen Konsens fragen

Der wichtigste Tipp von Prof. Kause: „Wenn Expertinnen und Experten unterschiedliche Standpunkte vertreten, fragen Sie immer danach, was der wissenschaftliche Konsens ist.“ Sie weist dabei darauf hin, dass etwa in Talkshows oder Publikumsmedien oft der Effekt „Falsche Balance“ oder englisch „False Balance“ auftritt: Die Redaktion lässt je einen Vertreter beider Sichtweisen zu Wort kommen. Damit ergibt sich der Eindruck, beide Positionen seien gleichwertig und gleichermaßen durch Forschungs- oder Studienergebnisse entdeckt. Tatsächlich kann es aber so sein, dass 90 Prozent der Studien die eine Einschätzung stützen, und nur 10 Prozent die gegenteilige Meinung. In so einem Fall hat die Minderheitsmeinung schlicht nicht dasselbe Gewicht wie das der wissenschaftlichen Mehrheit.

Auch das Argument, dass die Unschädlichkeit etwa von elektromagnetischen Feldern beziehungsweise Mobilfunksignalen nicht zweifelsfrei wissenschaftlich belegt sei, führt in die Irre. Denn es ist in der Wissenschaft schlicht nicht möglich, das Nichtvorhandensein eines Effekts zu beweisen. Wenn Forschungen und Studien zeigen, dass beispielsweise die geringe Gewebeerwärmung, die bei Einhaltung der Grenzwerte beobachtet wird, unkritisch ist, gibt dieses wissenschaftliche Ergebnis hingegen eine gute Abschätzung, die bei der eigenen Bewertung helfen kann.

Die Forschungen von Professorin Kause zeigen wiederum, dass die sogenannte Risikokompetenz – also die Fähigkeit, Risiken zu bewerten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, auch davon abhängt, wie gut man statistische Hintergründe versteht und Argumente zu Vor- und Nachteilen auf die eigene Situation beziehungsweise eigene Ziele und Werte anwenden kann. Wird in wissenschaftlichen Quellen auf Unsicherheiten verwiesen, sei vor allem wichtig zu verstehen, worin genau diese Unsicherheit besteht. „Sie kann in widersprüchlichen Studienergebnissen liegen, aber auch zum Beispiel in unsicheren Vorhersagen…“ – beispielsweise wenn eine Wettervorhersage ein Intervall wie „Regenwahrscheinlichkeit 30 bis 50%“ angibt. Dieses Beispiel mache auch deutlich, dass Unsicherheiten in Prognosen noch lange nicht die Zuverlässigkeit der Quelle in Frage stellen. Im genannten Fall vertraue man der Wettervorhersage durchaus, auch wenn die Vorhersage nicht so konkret ist, wie man es sich als Betroffener wünschen würde.

 

Absolute Sicherheiten gibt es kaum

„Nichts ist sicher außer dem Tod und den Steuern, sagte Benjamin Franklin“, zitiert Prof. Astrid Kause. Absolute Sicherheit gebe es aus psychologischer Perspektive kaum. Wissenschaft sei ein Prozess, um die Erkenntnisse dem tatsächlichen Funktionieren der Welt anzunähern. Wie groß die verbleibenden Unsicherheiten sind, hänge stark von den wissenschaftlichen Disziplinen ab. Man müsse sich daher auch fragen „wer forscht da, und woran genau?“. Natürlich müsse man seine Entscheidungen an neue Erkenntnisse anpassen – aber dazu müsse eben auch bewertet werden, wie gültig diese seien. Hinzu komme, dass Menschen Risiken unterschiedlich bewerten. Seien viele Menschen auf einen Schlag betroffen, würde ein Ereignis als viel bedrohlicher wahrgenommen als wenn sich die Betroffenheit über einen längeren Zeitraum verteilt – auch wenn das Ergebnis bei Betrachtung über einen Zeitraum unter dem Strich gleich sei.

Neben wissenschaftlicher Unsicherheit und unterschiedlichen Studienergebnissen gibt es aber auch das Problem von „Fake News“ – vermeintlichen Fakten, die einfach falsch sind. Sie werden vor allem in sozialen Medien verbreitet, in denen ja keine inhaltliche Prüfung von Behauptungen stattfindet. Etwa im Bereich Klimaforschung seien es durchaus große Player, die bewusst falsche Fakten streuen, um zum Beispiel die politische Entscheidungsfindung in ihrem Sinne zu beeinflussen oder zu verlangsamen. Bewährt habe sich, wenn entsprechende Plattformen bei sensiblen Themen im Vorfeld davor warnen, dass es zu diesem Thema Fake News geben kann. Diese „Impfung“ des Publikums könne dazu beitragen, dass es präsentierte Informationen kritischer hinterfragt. Außerdem sei es eine gute Strategie, die Techniken zu erklären, die zur Verbreitung von Falschinformationen zum Einsatz kommen: Etwa das sogenannte „Cherrypicking“ (auf Deutsch: Rosinenpicken) – wenige, einzelne Daten herauszupicken, die eine eigene Behauptung stützen, und dabei das große Bild bewusst zu ignorieren. Auch hier hilft der bereits genannte Tipp, nach dem wissenschaftlichen Konsens zu fragen.

 

Quellen hinterfragen, aber verbliebene Unsicherheit klar benennen

Welche Tipps hat Prof. Kause noch? Man sollte auch hinterfragen, wer eine Studie veröffentlicht und wie kompetent sie oder er im jeweiligen Fachgebiet ist. „So lässt sich ein Teil der Unsicherheit über die Vertrauenswürdigkeit einer Quelle ausräumen.“ Und immer wieder nach den neuesten Evidenzen (also Forschungs- beziehungsweise Studienergebnissen) zu schauen und sich an deren Ergebnisse anzupassen. „Etwas anderes bleibt uns letztlich gar nicht übrig“, so die Wissenschaftlerin.

Speziell Journalisten empfiehlt Professorin Kause noch, gerade bei wissenschaftlicher Unsicherheit transparent zu informieren. „Unsicherheit zu verstecken, wird nicht helfen“ – es werde immer Leute geben, die in solchen Fällen zum Beispiel erkennen, dass eine Studie eine Restunsicherheit ausweist. Auch hier gelte das Credo, mit Unsicherheiten offen umzugehen.

Auf allen wichtigen Podcast-Plattformen vertreten

 

Das rund 21-minütige Gespräch mit Professorin Dr. Astrid Kause haben wir in der neuesten Folge unseres Podcasts MobilfunkTalk veröffentlicht. Sie finden ihn auf allen einschlägigen Podcast-Plattformen.

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