Menschen mit Behinderungen können sich durch die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten, die Mobilfunk bietet, Freiräume schaffen. Darüber hinaus bedeutet mobile Kommunikation für sie einen Zugewinn an Sicherheit. Damit Menschen mit körperlichen Einschränkungen Mobilgeräte effizient nutzen können, gibt es zahlreiche Spezialgeräte und -programme.
GARI-Datenbank bietet Orientierung bei der Geräteauswahl
Je nach Grad ihrer Einschränkung haben Menschen mit Behinderungen individuelle Ansprüche an ein Mobilfunkgerät. Aktuelle Programme und Spezialhandys für Menschen mit Behinderungen sind in einer Datenbank der Global Accessibility Reporting Initiative (GARI) zusammengestellt. Das GARI-Projekt dient als zentrale Informationsplattform für die Zugänglichkeit von Mobilgeräten. Die Datenbank bietet Informationen zu einzelnen Merkmalen und Funktionen eines Mobiltelefons oder Tablets sowie den Link zur Webseite des jeweiligen Herstellers. Zusätzlich werden Informationen zu nützlichen Apps bereitgestellt. Der Service gilt für alle nach dem 1. Oktober 2008 auf den Markt gebrachten Mobiltelefone der teilnehmenden Hersteller. Die Datenbank der GARI-Initiative findet sich unter www.mobileaccessibility.info.
Programme für Seh- und Hörgeschädigte
Spracherkennungssoftware erleichtert Sehgeschädigten und Blinden die Bedienung des Telefons: Mit gesprochenen Anweisungen können sie durch die Gerätefunktionen navigieren und Nummern wählen. Spezielle Programme und Apps lesen Nachrichten vor und wandeln die gesprochenen Antworten in Text um. Für Blinde ist eine Kombination aus Spracherkennung und Handykamera hilfreich: Was die Kamera sieht, liest die Software vor, zum Beispiel Schilder oder Speisekarten. Darüber hinaus gibt es Handys, die statt eines Displays eine Leiste mit kleinen Drahtstiften besitzen, die Braille-Zeichen fühlbar machen.
Hörgeschädigte und Taubstumme müssen ebenfalls nicht auf mobiles Telefonieren verzichten. Visuelle Signale zeigen eingehende Anrufe oder Nachrichten an. Bei vielen Handys lässt sich die Hörerlautstärke entsprechend einstellen oder an ein Hörgerät anpassen. Über Bluetooth kann auch eine drahtlose Verbindung vom Telefon zum Hörgerät hergestellt werden. Weitere Möglichkeiten bieten Smartphones: Dank Handykamera und schnellem Internetzugang können Gehörlose per Videotelefonie in Gebärdensprache miteinander kommunizieren. Die App „InMoBS“, die von Forschern der Technischen Universität Braunschweig konzipiert wurde, befindet sich aktuell in der Testphase. Die sprechende App navigiert Menschen mit Sehbehinderung durch den Straßenverkehr. Dafür trägt der Benutzer einen speziellen GPS-Empfänger am Arm, der seine Position deutlich präziser als herkömmliche Navigationsgeräte angeben kann.
Anwendungen für körperlich eingeschränkte Personen
Menschen mit sensorischen oder körperlichen Einschränkungen können Anwendungen verwenden, die barrierefreie Wege durch die Stadt zeigen oder über behindertengerechte Parkplätze, Restaurants oder Museen informieren. Die Nutzerinnen und Nutzer können ihre Erfahrungen beisteuern und die Liste interaktiv vervollständigen. Außerdem können bestimmte Programme Wörter in Gebärdensprache übersetzen und die entsprechende Gebärde in einem Video anzeigen. So können Taubstumme und Hörgeschädigte mit ihren Angehörigen und Freunden kommunizieren.
Für Rollstuhlfahrer sind Hindernisse wie Bordsteine, Kopfsteinpflaster und Rampen oft unüberwindbar. Informatikstudenten der Hochschule Darmstadt entwickelten daher die Navigations-App „Wheel Guide“, die Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen beim Finden freier Wege hilft. Aufgebaut ist „Wheel Guide“ wie eine Verkehrsampel: bei Grün ist der Weg barrierefrei, bei Gelb ist er eingeschränkt und bei Rot ist der Weg für Rollstuhlfahrer nicht passierbar. Um die Wirklichkeit der Rollstuhlfahrer möglichst authentisch wiederzugeben, arbeiteten die studentischen Entwickler mit Rollstuhlbasketballern zusammen.
Körperlich eingeschränkte Menschen, die ihre Arme und Hände nicht nutzen, aber ihren Kopf bewegen können, finden bisher kaum geeignete Handys. Für Menschen mit Querschnittslähmung, ALS-Erkrankte sowie Personen mit Rückenmarksverletzungen, Kinderlähmung oder multipler Sklerose wurde eine Handysoftware entwickelt, die mit Kopfbe-wegungen und Sprache gesteuert werden kann. Um die Gestensteuerung zu ermöglichen, verwendet das sogenannte „Sesame Phone“ die Kamera auf der Vorderseite. Die Bewegungen des Kopfes werden analysiert und in Bedienungen umgesetzt. Neben der Anruffunktion können damit auch Apps, Spiele und Soziale Netzwerke genutzt werden.
Literatur und Filme genießen können
Der freie Zugang zu Literatur in Brailleschrift ist oftmals eingeschränkt. Sehbehinderte, die Bücher oder Fachartikel konsumieren wollen, können dafür die kostenlose App „BliBu“ nutzen, die von dem blinden Informatiker Jan Blüher entwickelt wurde. Damit erhalten sehbehinderte Nutzer per Handy oder Tablet Zugriff auf das Onlineangebot von Blindenbüchereien. Mithilfe einer Sprachsteuerung lassen sich Bücher in Brailleschrift sowie Hörbücher bestellen. Blüher programmierte zuvor bereits die App „Colorvisor“ – eine Art Farbscanner, der dem Benutzer sämtliche Farben ansagt.
Der Filmverleih Debese.Film entwickelte die beiden kostenlosen Apps „Greta“ und „Starks“ für seh- und hörgeschädigte Filmfans. „Starks“ zeigt Gehörlosen während des Films sogenannte HoH-Untertitel („Hard of Hearing“) an. Neben gesprochenen Dialogen werden auch wichtige Hintergrundgeräusche beschrieben. „Greta“ bietet eine gesprochene Filmbeschreibung, die blinde oder sehbeeinträchtigte Nutzer im Kino über Kopfhörer anhören können.