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Interview mit Prof. Frank Brettschneider

6. Oktober 2020
Brettschneider

Warum wird 5G so kontrovers diskutiert?

Beim Thema 5G passiert in der öffentlichen Wahrnehmung eine ganze Menge: Die Spanne reicht von einem Teil der Gesellschaft, der den Nutzen erkennt und möglichst schnell vom Ausbau profitieren möchte über eine schweigende Mehrheit bis hin zu einer Gruppe, die vor möglichen Gesundheitsgefahren warnt. Warum das Thema so kontrovers diskutiert wird, haben wir den Kommunikationswissenschaftler Professor Frank Brettscheider gefragt. Als Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim beschäftigt er sich mit der Kommunikation bei Bau- und Infrastrukturprojekten, mit Verständlichkeitsforschung, Politischer Kommunikation und Kommunikationsmanagement.

 

Wie kommt es dazu, dass die Einführung eines neuen Mobilfunkstandards wie aktuell der fünften Generation (5G) so kontrovers diskutiert wird?

Änderungen – egal von was – werden meistens kontrovers diskutiert. Das ist bei 5G nicht anders als bei vielen Bau- und Infrastrukturprojekten auch. Ob es sich bei der Diskussion über 5G um eine starke Kontroverse mit zwei gleich großen Kontrahenten-Gruppen handelt, ist meines Erachtens aber fraglich. Die 5G-Gegner sind sehr lautstark und im öffentlichen Raum präsent. Die Befürworter von 5G sind hingegen meistens sehr ruhig. Sie artikulieren sich nicht oder kaum in der Öffentlichkeit. Daher sind sie weniger sichtbar als die Gegner – obwohl die Befürworter wahrscheinlich deutlich in der Mehrheit sein dürften.

 

Was sind die Ursachen für die unterschiedlichen Einschätzungen?

Die Befürworter sehen in der 5G-Technologie einen Nutzen für sich oder für die Wirtschaft in Deutschland. Die Gegner betonen hingegen vermeintliche Gesundheitsgefahren. Einige von ihnen wenden sich daher auch generell gegen Mobilfunk oder gegen WLAN. Teilweise bezweifeln sie auch die Notwendigkeit der 5G-Technologie. Und dann gibt es einen großen Teil der Bevölkerung, der sich zu 5G noch gar keine Meinung gebildet hat.

 

Wer hat in diesem Themenkomplex aus Ihrer Sicht welche Motive?

Befürworter von 5G vertrauen in der Regel auf zukünftige Entwicklungen. Sie erwarten, dass 5G nützliche Lösungen auch für Privat-Anwender ermöglicht. Aus ihrer Sicht folgen die Anwendungen der Technologie. Unter den 5G-Gegnern gibt es hingegen sehr unterschiedliche Motive. Da sind Sorgen im Hinblick auf Gesundheit oder Datenschutz. Dann gibt es auch die sogenannten NIMBYs (Not-in-my-backyard). Sie sind nicht prinzipiell gegen die Technologie, wollen aber keine Sendemasten in ihrer Nähe. Und einige sind auch mit der Kommunikation der Netzbetreiber und der Politik unzufrieden. Informationen, so ihr Vorwurf, stünden nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, wären unverständlich oder falsch.

 

Wie soll eine Kommune mit so einem Konflikt umgehen? Gibt es dazu Erfahrungswerte bzw. aus anderen Themengebieten übertragbare Erkenntnisse?

Viele Kommunen tun sich derzeit schwer im Umgang mit Protestgruppen. Das ist ähnlich wie bei Windenergieanlagen oder bei anderen Bau- und Infrastrukturprojekten. Dort ist inzwischen die große Bedeutung von Kommunikation und dialog-orientierter Bürgerbeteiligung anerkannt. Vorhabenträger und Politik müssen frühzeitig mit der Bevölkerung über geplante Vorhaben sprechen – transparent und ehrlich. Oft hilft ein Fakten-Check. Auch sollte klar gemacht werden, in welchen Punkten Handlungsspielräume bestehen – etwa bei der Wahl von Standorten für konkrete Sendemasten – und in welchen nicht. Wenn Vorhabenträger einzelnen Vorschlägen aus der Bürgerschaft nicht folgen, sollten sie es gut begründen.

 

Der Ausbau der vorhergehenden Mobilfunkstandards 3G und 4G führten auch zu gesellschaftlichen Diskussionen. Welche Aspekte sind aus Ihrer Sicht wichtig, damit die Einführung von 5G zu weniger Konflikten führt?

Neben dem Einhalten von Standards für Kommunikation und Bürger-Dialog ist vor allem eines wichtig: Man sollte nicht in erster Linie über die Technik sprechen, sondern über deren Nutzen. Und der Nutzen sollte eingebettet sein in eine umfassendere Diskussion über die Digitalisierung unseres Lebens. 5G ist ja schließlich kein Selbstzweck. Sondern 5G ermöglicht verschiedene Anwendungen. Was haben Menschen davon? Wo erleichtern sie ihnen das Leben? Diese Diskussion sollten wir alle führen – Politik, Verwaltung, Vorhabenträger und Bürgerschaft. Am Ende wird zwar kein Konsens unter allen Beteiligten stehen. Aber gesellschaftlich tragfähige Lösungen sollten sich so finden lassen.

Foto: Claudia Thoms

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