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Energieverbrauch von Mobilfunknetzen senken – Interview mit Volker Held, Nokia

21. März 2022
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Die Digitalisierung hat in den letzten zwei Jahren eine große Dynamik erlebt. Sie verursacht einerseits durch ihren Stromverbrauch CO²-Emissionen, hilft aber andererseits gleichzeitig mit, in Fabriken oder Büros, im Alltag oder auf den Straßen das Klima zu schützen. Viele digitale Produkte und Dienstleistungen unterstützen die Menschen bei der Reduktion ihrer eigenen CO²-Emissionen.

Basis vieler digitaler Lösungen ist die mobile Datenkommunikation, die durch den Betrieb von Mobilfunknetzen eine Menge Strom benötigt. Nicht nur weil immer mehr Daten über mobile Netze verschickt werden, auch die wachsende Zahl von Standorten ist für die Zunahme des Energieverbrauchs verantwortlich. Zwar verbraucht die Datenübertragung über 5G weniger Energie als bei den Vorgängertechnologien, diese Einsparung wird aber, da der Datenverkehr weiter stark zunimmt, zum Teil wieder aufgezehrt. Ehrgeizige CO²-Reduktionssziele der Mobilfunkunternehmen und die stark steigenden Energiekosten sorgen zusätzlich für Handlungsdruck. Wo es Einsparpotentiale gibt, welche Maßnahmen sinnvoll sind und wie künstliche Intelligenz (KI) bei Energiemanagement helfen kann, haben wir Volker Held, Head of Marketing, Managed Services Nokia, gefragt.
Volker Held

Wo wird bei Mobilfunknetzen überall Energie benötigt?

Ein Mobilfunknetz besteht aus verschiedenen Bereichen. Da gibt es zum einen den Radio Access (Funknetz) mit den Antennen und Basisstationen. Dies ist der für Jeden sichtbare Teil des Mobilfunknetzes. Darüber hinaus gibt es das Transportnetz, um den Datenverkehr weiter zu transportieren, und das Core-Netz, mit dem unter anderem die Datenströme gesteuert werden. Das Funknetz ist der dominierende Energieverbraucher für Mobilfunkbetreiber und für etwa 80 % des gesamten Energieverbrauchs von Mobilfunknetzen verantwortlich. Daher muss dieser Bereich im Fokus von Energieeffizienzmaßnahmen stehen. Im Funknetz entfallen grob gesagt 50% des Energieverbrauchs auf die eigentlichen Netzelemente wie Antennen und Basisstationen und 50% auf die passive Infrastruktur, zum Beispiel Ventilatoren zur Kühlung und die Batterien, die für den Fall von Stromausfällen aufgeladen werden müssen. Insbesondere die Kühlung kann den Energieverbrauch massiv in die Höhe treiben. Wie sich der Energieverbrauch im konkreten Fall aufteilt, kann sehr unterschiedlich sein und hängt von Faktoren wie z.B. dem jeweiligen Klima, dem Alter des Equipments und der technischen Konfiguration ab.

 

An welchen Punkten lohnt es sich anzusetzen? Wo gibt es am meisten Einsparpotential?

Wie gesagt sollte man im Funknetz ansetzen. Hier gibt es erhebliches Potenzial, denn nur 15 % der ursprünglich in das Netz „gepumpten“ Energie wird produktiv für den Datenverkehr der Nutzer verwendet. Das liegt daran, dass die meiste Energie durch Lüfter und Kühlsysteme, Heizung und Beleuchtung, Gleichrichter sowie durch den Betrieb ungenutzter Netzressourcen verbraucht wird. Gerade das Problem von Ressourcen „im Leerlauf“, also Equipment, das temporär zum Beispiel für einige Stunden am Tag aufgrund von geringem Datenverkehr eigentlich nicht benötigt wird, aber trotzdem Strom verbraucht, gilt es zu beseitigen.

 

Welche Energieeinsparziele sind beim Betrieb von Mobilfunknetzen realistisch?

Ich würde hier zwischen kurzfristigen, innerhalb weniger Monate erreichbaren Zielen und Langfristzielen unterscheiden. Nach unserer Erfahrung sind innerhalb weniger Monate bereits Einsparungen in Höhe von 7-30% erreichbar, je nach Netz und klimatischen Bedingungen. Langfristig sind die Einsparpotentiale noch weitaus höher, zum Beispiel durch den Einsatz neuester Hardware, die Veränderung der Netzarchitektur, die Verlagerung von Netzfunktionen in eine Cloud, um das Problem ungenutzter Ressourcen zu umgehen, und insbesondere der Technologiewechsel von LTE auf 5G. 5G-Netze sind im Schnitt pro Verkehrseinheit bis zu 90 Prozent energieeffizienter als Netze der Vorgängergeneration. Es ist unmöglich, eine auf alle Netze zutreffendes Einsparpotential zu nennen, da schon die gegenwärtige Energieeffizienz (kWh/GB) als Ausgangspunkt erheblich variieren kann, teilweise um den Faktor 7 im selben Netz.

 

Werden die Einsparungen im Netzbetrieb durch den wachsenden Datenverkehr wieder aufgehoben? Wie schätzen Sie unterm Strich die Gesamtbilanz ein?

Ich gehe nicht davon aus, dass die Einsparungen durch den wachsenden Datenverkehr wieder aufgehoben werden. Die oben genannten Strategien ergeben schon einen großen „Puffer“ und bei technologischen Entwicklungen und Netzoptimierungen ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. In Summe gehe ich davon aus, dass es möglich sein wird, den Energieverbrauch trotz stark steigenden Datenverkehrs konstant zu halten. Voraussetzung dafür ist eine zeitige Modernisierung der Netzinfrastruktur und ein netzweites KI basiertes Energiemanagement. Aber wir müssen auch über den Rand der Netze hinaus schauen und uns damit beschäftigen, was die Telekommunikation für andere Branchen an Potenzial bereit hält, etwa durch Automatisierung, Fernwartung, Prozessoptimierung, etc. nachhaltiger zu werden.

 

Wie kann KI helfen den Energieverbrauch zu senken?

Die Minimierung des Energieverbrauchs für Kühlung und andere Nebenaggregate sowie die Reduzierung ungenutzter Ressourcen sind die mit Abstand wichtigsten Hebel zur Energieeinsparung.  KI kann genau an diesen Punkten ansetzen.

Der Netzwerkverkehr schwankt über Zeit und Ort, sodass verschiedene Teile der Mobilfunk-Infrastruktur in einem Bereich – zum Beispiel ganze Funkstandorte, bestimmte Sektoren, bestimmte Schichten – über bestimmte Tageszeiten in den Ruhemodus versetzt werden können. Aber wie können wir garantieren, dass die Netzwerkleistung und die vom Kunden erlebte Netzqualität zu keinem Zeitpunkt leiden, wenn Teile der Netzwerkressourcen nicht verfügbar sind?

Das Energiemanagement von Netzen erfordert die automatisierte Analyse von Millionen von Datenpunkten in Echtzeit. Aus diesem Grund kommt man an KI nicht vorbei. KI-basierte Energielösungen können den richtigen Zeitpunkt zum Aus- und Wiedereinschalten von Ressourcen genau vorhersagen. Ein „Aufwachen“ zum optimalen Zeitpunkt ist mit statischen oder regelbasierten Methoden schwer zu erreichen und erfordert normalerweise breite „Wach“-Fenster oder eine umfassende Nutzung des weiterhin stromfressenden Standby-Modus, um die Aufwachzeiten zu verkürzen wenn der Datenverkehr im Tagesverlauf wieder zunimmt. KI hingegen kann maximale Einsparungen ohne Beeinträchtigung der Netzqualität erreichen.

Darüber hinaus bietet KI eine Vielzahl weiterer Anwendungsfelder, wie zum Beispiel die minutengenaue Optimierung der Kühlung von Basisstationen über den Tagesverlauf, wobei eine Vielzahl von Faktoren wie Temperaturverlauf und Wärmeproduktion von einzelnen Komponenten berücksichtigt werden. Damit konnten wir in der Praxis den Energieverbrauch für Kühlung schon um mehr als 30% senken. Mit KI-basierten intelligenten Frischluftventilatoren, die heiße und kalte Luft innerhalb und außerhalb des Rechenraums austauschen, kann die Betriebszeit von Klimaanlagen erheblich reduziert. Werden. Mit dieser KI-Anwendung können mehr als 70 % des AC-Energieverbrauchs eingespart werden.

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