Notrufe im Gebirge: Das Smartphone als Begleiter auf Bergtouren

12. Dezember 2024
  • Bei einem Notfall oder Unfall im Gebirge hilft die Bergwacht. In Bayern stehen dahinter rund 3500, überwiegend ehrenamtliche Einsatzkräfte. Sie bewältigen jährlich rund 8500 Rettungseinsätze.
  • Im Notfall zählt koordiniertes und überlegtes Handeln. An erster Stelle steht die Eigensicherung, dann gelten die Regeln der Ersten Hilfe inklusive lebensrettender Sofortmaßnahmen. Erst im Anschluss daran folgt der Notruf über die europaweite Notrufnummer 112.
  • Beim Notruf müssen die fünf W-Fragen beantwortet werden. Die Technik AML (Advanced Mobile Location) in allen modernen Smartphones sorgt dafür, dass GPS-Koordinaten mit an die Leitstelle übertragen werden. Im Anschluss gilt es, erreichbar zu bleiben – denn in der Regel ruft der Einsatzleiter noch mal an der Unfallstelle an.
  • Entscheidend ist auch die Eigenverantwortung von Bergtouristen. Dazu gilt es sicherzustellen, dass man mit ausreichend Reserven unterwegs ist – sowohl in puncto Ausrüstung, Verpflegung und Erste-Hilfe-Material, als auch im Hinblick auf die eigenen Kräfte.

Die Berge sind ein sehr beliebtes Ziel für sehr viele Menschen – etwa zum Wandern, Radfahren oder Skifahren. Aber solche Aktivitäten im Gebirge bringen auch Herausforderungen mit sich. Wer in den Bergen unterwegs ist, sollte deshalb wissen, was zu tun ist, wenn man auf einer Tour in Schwierigkeiten kommt. Was muss man in einem Notfall beachten? Und welche Bedeutung haben Mobiltelefone für die Rettung aus Notsituationen?

Diese Fragen sind das Thema der jüngsten Folge unseres Podcasts „MobilfunkTalk“. Unser Gesprächspartner ist Roland Ampenberger, Vorstand der Stiftung Bergwacht und Pressesprecher der Bergwacht Bayern. Natürlich ist auch er privat gerne in den Bergen aktiv – und auch er hat dort schon Unfälle selbst erlebt: „Bergsport ist Sport, und Sport ist immer auch mit Bewegungsunfällen im weitesten Sinne verbunden.“

Die Bergwacht Bayern gibt es bereits seit 1920. Bei ihren Aufgaben spiele auch der Naturschutz eine wichtige Rolle, die primäre Aufgabe der Organisation ist heute die Rettung aus alpinem und unwegsamem Gelände. Aktiv ist die Bergwacht in den Alpen und den Mittelgebirgen, wo es insgesamt 108 Bergwacht-Bereitschaften gibt. Startpunkt für die Einsätze sind 95 Rettungswachen und 300 weitere Stützpunkte – in Talorten und Einsatzgebieten, meist an touristischen Schwerpunkten. Dahinter stehen rund 3500 aktive Einsatzkräfte, die überwiegend ehrenamtlich tätig sind. Sie bewältigen jährlich rund 8500 Rettungseinsätze, davon 1000 Such- und Sondereinsätze sowie 5000 einfachere Hilfeleistungen. Zu den Einsatzorten zählen neben dem Gebirge etwa auch Höhlen und Canyons. Organisatorische Unterstützung erhalten die Rettungskräfte von sieben Geschäftsstellen in den Regionen. Die Landesgeschäftsstelle befindet sich in Bad Tölz, wo die Stiftung der Bergwacht das Ausbildungs- und Trainingszentrum betreibt.

 

Im Notfall koordiniert und überlegt handeln

Roland Ampenberger gibt einen Überblick, was zu tun ist, wenn es im Gebirge zu einem Notfall kommt: Dann zählt koordiniertes und überlegtes Handeln. An erster Stelle steht in solchen Fällen die Eigensicherung, um als Helfer nicht selbst Teil des Unfalls zu werden. Hat man sich einen Überblick verschafft, gelten die Regeln der Ersten Hilfe – inklusive lebensrettender Sofortmaßnahmen: Ansprechen, anfassen, Atmung und Kreislauf prüfen, nach Verletzungen schauen. Lässt sich die betroffene Person sicher aus gefährlichem Gebiet wie Steinschlaggebieten oder absturzgefährdeten Zonen herausbringen? Erst nach diesen Sofortmaßnahmen folgt der Notruf – es sei denn, mehrere Personen vor Ort können sich diese Maßnahmen aufteilen.

Bergsteiger in roter Jacke steht auf einem Gipfel und sieht auf sein Smartphone
Wenn nötig, muss man zum Absetzen eines Notrufs einen Ort mit Mobilfunkabdeckung suchen – und dann auch für eventuelle Rückrufe dort bleiben.

 

Dafür ist am einfachsten die europaweite Notrufnummer 112. Sie gilt in allen Alpenländern inklusive der Schweiz und leitet Anrufer immer an die zuständige Stelle weiter. Je nach Land gibt es zusätzlich spezielle Notrufnummern, etwa die direkten Telefonnummern der Bergrettungsdienste. Über sie sollte man sich gegebenenfalls vorher kundig machen – aber nicht erst bei einem Notfall zeitraubend danach suchen.

Roland Ampenberger betont, dass man lieber einmal zu früh den Notruf wählen soll als einmal zu spät: „Die Not definieren ja nicht wir, sondern derjenige, der sich in Not befindet. Not ist subjektiv, und während sich der eine vielleicht in Lebensgefahr fühlt, sagt ein anderer, die Situation sei doch überhaupt kein Problem.“ Es sei nicht die Aufgabe der Bergwacht, über die einzelnen Anrufe zu urteilen.

 

Die fünf W-Fragen und weitere Tipps zu Notrufen

Beim Notruf selbst, gelte es, die fünf W-Fragen zu beantworten: Wo ist der Notfallort? Was ist passiert? Wer ruft an? Wie viele Betroffene? Warten auf Rückfragen. Die Technik AML (Advanced Mobile Location) in allen modernen Smartphones sorge dafür, dass die GPS-Koordinaten des Anrufers mit an die Leitstelle übertragen werden. Dazu müssen keine Einstellungen aktiviert werden, die Standortübertragung funktioniert automatisch.

Ein wichtiger Hinweis: „Nach dem Notruf muss man erreichbar bleiben. In der Regel ruft der Einsatzleiter der Bergwacht noch mal an der Unfallstelle an, um sich genau schildern zu lassen, wo man ist, in welcher Situation man sich befindet, wie die Wetterlage ist, wie die Gruppensituation aussieht und so weiter.“ Dazu müsse man die Leitung freihalten und gegebenenfalls in einer Zone mit Netzabdeckung bleiben – und auch dem Drang widerstehen, Freunde und Verwandte oder andere vermeintlich Betroffene sofort zu informieren.

Wichtig sei auch, mit der digitalen Technik bewusst umzugehen. Dazu zähle, sich nicht allein auf Navigations-Apps zu verlassen, die einen schmalen Fußweg schon mal als vermeintliche Autostraße ausweisen können. Außerdem gelte es, sicherzustellen, dass man in Notsituationen genügend Akkukapazität hat. Das kann bedeuten, das Smartphone während einer Bergtour in den Flugmodus zu schalten und etwa andauerndes Musik-Streaming zu vermeiden. Eine Powerbank kann helfen, darf aber keine trügerische Sicherheit vorspiegeln. Spezielle Apps wie „SOS EU Alp“ seien eine gute Ergänzung, zumal sie in Stresssituationen unterstützen. Roland Ampenberger weist aber darauf hin, dass es je nach Zielgebiet unterschiedliche dieser Apps gibt. Wie mit aller Technik solle man sich auch damit im Vorfeld auseinandersetzen.

 

Eigenverantwortung zählt

Der Bergrettungs-Spezialist appelliert aber auch an die Verantwortung der Bergtouristen: Es gelte sicherzustellen, dass man mit ausreichend Reserven unterwegs ist – sowohl in puncto Ausrüstung, Verpflegung und Erste-Hilfe-Material, als auch im Hinblick auf die eigenen Kräfte: „Wenn ich aufsteige, muss ich auch wieder runter kommen. Man darf nicht ans Limit gehen und dann merken, hoppla, jetzt traue ich mich weder vor noch zurück. Wenn ich einen Marathon laufe und nicht mehr kann, dann bleibe ich stehen, gehe zur nächsten Versorgungsstation und breche den Lauf ab. Wenn ich mal drei Stunden aufgestiegen bin und 20 Kilometer in den Tal reingelaufen bin, dann heißt es, ich muss auch dann irgendwann wieder zurück. Dieses Vorausschauen und Vorausdenken unterscheidet den Natur- und Gebirgsraum vom Spaziergang im Park oder vom Sport in der Turnhalle.“

Dazu zähle auch, die Verantwortung nicht an Dritte zu delegieren wie den Wetterbericht, eine Bergbahn oder Hütte, sondern Eigenverantwortung für sich und eventuelle weitere Gruppenmitglieder zu zeigen. „Gerade im Gebirge heißt es, sich diesem Erfahrungsraum langsam zu nähern – sich zunächst niedrige, vermeintlich einfache Ziele zu setzen, um ein Gefühl für die Situationen und die eigene Leistungsfähigkeit zu bekommen. Bergsport ist kein Trainingssport. Im Gebirge zu trainieren braucht Erfahrung. Man muss immer mit Reserven unterwegs sein.“

Rettungsfahrzeug einer Bergwacht mit Schriftzug
Rettung durch die Bergwacht funktioniert an fast allen Orten, fast immer – aber je nach Unfallort und Wetterbedingungen nicht immer sofort.

Die Bergwacht werde immer alles daransetzen, bestmöglich und schnellstmöglich zu helfen. Man solle dennoch nicht davon ausgehen, dass wie ein Rettungswagen in der Stadt die Hilfe immer innerhalb von 15 Minuten vor Ort ist. Je nach Gelände, Wetter, Tageszeit und anderen Faktoren könne ein Einsatz mehrere Stunden dauern. „Im Hochgebirge oder bei schwierige Wettersituationen, kann es auch Einsätze geben, bei denen der Einsatzleiter sagt, das ist momentan für die Rettungskräfte zu gefährlich. Dann muss man vielleicht sogar bis zum nächsten Tag abwarten.“

 

Unterstützung durch Spenden ist unverzichtbar

Da sich die überwiegende Zahl der Rettungskräfte ehrenamtlich engagiert, sei die beschriebene Eigenverantwortung die Gegenerwartung. Roland Ampenberger weist darauf hin, dass es mehrere Finanzierungssäulen für die Bergwachten gibt: Die Leistung werde vom Staat unterstützt, aber die Rettungsorganisation sei auch auf Spenden angewiesen. Wer hier unterstützen möchte, findet die erforderlichen Informationen für die Bergwacht Bayern unter: https://bergwacht-bayern.de/stiftung/spenden

Veröffentlicht am 12.12.2024

Auf allen wichtigen Podcast-Plattformen vertreten

Das rund 25-minütige Gespräch mit Roland Ampenberger haben wir in der neuesten Folge unseres Podcasts MobilfunkTalk veröffentlicht.
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