- An den Arbeitsplätzen der GWW helfen 5G-basierte Assistenzsysteme Menschen mit Behinderung, komplexere Arbeiten zu verrichten. Ein Betreuender kann so bis zu 15 Mitarbeitende unterstützen.
- Dank Echtzeitkommunikation steht die Unterstützung zuverlässig, ohne Verzögerungen und ortsunabhängig zur Verfügung.
- Der Erfolg ist eindeutig: Auf einer Karte lässt sich nachvollziehen, dass an Standorten mit 5G-Versorgung autarkes Arbeiten und die Freiheitsgrade der Mitarbeitenden deutlich ansteigen.
Menschen, die durch eine Behinderung beeinträchtigt sind, benötigen unterstützende Begleitung, um so weit wie möglich selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben teilzunehmen. Zum gleichberechtigten Leben gehört auch die Teilhabe am Erwerbsleben. In den Werkstätten der GWW (Gemeinnützige Werkstätten und Wohnstätten GmbH, Sindelfingen) arbeiten über 1000 behinderte Menschen. Sie produzieren für die unterschiedlichsten Branchen der Industrie oder führen Dienstleistungen aus. Als Zulieferunternehmen zum Beispiel für die Automobilindustrie muss sich die GWW dabei in einem wettbewerbsintensiven Umfeld behaupten. Mit Hilfe von digitalen Assistenzsystemen lassen sich Arbeitsschritte in der Produktion erklären und visualisieren, während sie ausgeführt werden. Für Sprachkommunikation und Datenübertragung setzen diese Systeme auf Echtzeitkommunikation über das 5G-Netz.
Andrea Stratmann, Geschäftsführerin der GWW, beschäftigt sich neben der Weiterentwicklung der Arbeitsplätze auch mit technischen Themen sowie mit der Frage der Akzeptanz der Systeme. In der neuesten Folge unseres Podcasts MobilfunkTalk haben wir mit ihr darüber gesprochen, wie die Erfahrungen mit 5G-basierten Assistenzsystemen sind, wo sie sinnvoll eingebunden werden können und wie diese Systeme die Zukunft der Wertstätten für behinderte Menschen verändern.
Im Interview berichtet Andrea Stratmann, dass Menschen mit Behinderung heute zwar in praktisch allen Bereichen der Arbeitswelt vertreten sind. „Aber sobald Krisen am Arbeitsmarkt entstehen, werden Menschen mit Behinderung in einem größeren Maße herausgedrängt als andere Gruppen. Das sehen wir aktuell gerade wieder.“ Um diesem Effekt zu begegnen, brauche es geschützte Systeme am Rand des Arbeitsmarkts wie die Werkstätten der GWW.
Dabei könne Technik eindeutig helfen – allerdings müsse sich auch für die Nutzenden zugänglich gemacht werden. Zudem müsse die eingesetzte Technik genau die Bedarfe der Menschen mit Einschränkungen adressieren und ausgleichen.
Ein Ansprechpartner betreut bis zu 15 Mitarbeitende mit Einschränkungen
Konkret kommen in den GWW zum Beispiel Assistenzsysteme zum Einsatz, über die der Mitarbeitende durch komplexere Prozesse geleitet wird und die bei Bedarf eine direkte Unterstützung durch einen Beratenden bietet. Ein solcher Ansprechpartner steht für etwa 15 Mitarbeitende mit Einschränkungen zur Verfügung. Technisch stehen diese Lösungen etwa über Bildschirme oder auch über spezielle Videobrillen zur Verfügung. Im Arbeitsablauf lässt sich das System etwa nutzen, um die Bereitstellung von Fußmatten für die Autoproduktion zu unterstützen oder Schritt für Schritt durch die Reinigung eines Zimmers zu begleiten.
Die Anwendungen brauchen Echtzeitkommunikation, damit die Unterstützung zuverlässig, ohne Verzögerungen und ortsunabhängig zur Verfügung gestellt werden kann.
Insgesamt hat die GWW 30 Standorte. An der Zentrale in Gärtringen bei Stuttgart und vielen weiteren steht der benötigte 5G-Empfang zur Verfügung – an anderen jedoch nicht. Und Andrea Stratmann berichtet, dass das autarke Agieren der Mitarbeitenden sich eindeutig an der Netzversorgung ablesen lässt: „Man kann das auf der Karte der Netzversorgung nachzeichnen“, sagt die Geschäftsführerin – dort, wo 5G zur Verfügung steht, haben die Mitarbeitenden mit Behinderungen eindeutig höhere Freiheitsgrade. Manche gehe zwar auch mit 4G, aber: „Will man die B-Lösung oder die beste zur Verfügung stehende Technik?“
Die Mitarbeitenden sind von dem System begeistert
„Unsere Menschen mit Behinderung sind von den Systemen total begeistert“, berichtet Frau Stratmann. „Sie gehen ohnehin vorurteilsfrei an neue Lösungen heran.“ Weil Menschen mit Einschränkungen ohnehin gewohnt seien, ein bisschen komisch angeschaut zu werden, verursache es keine Scham, wenn sie etwa ein ungewöhnlich aussehendes Videoheadset bei der Arbeit tragen. „Und viele unserer jungen Menschen mit Behinderung sind ohnehin technikaffin.“
Die technische Unterstützung habe es sogar Menschen mit starker Einschränkung ermöglicht, überhaupt erstmals an Regelprozessen im Erwerbsumfeld teilzunehmen. „Es war atemberaubend zu sehen, wie sich diese Menschen gefreut haben, dass sie an Arbeit teilhaben können – in einer Welt, in der Arbeit eine so wichtige Rolle spielt wie in unserer.“
Vorbehalte und Skepsis gebe es vor allem bei der Frage, ob die technische Hilfe im Gegenzug Unterstützung koste, die heute noch selbstverständlich sei. Dies, so Andrea Stratmann, sei bei der Nutzung solcher Lösungen unbedingt zu vermeiden. Unter keinen Umständen dürfe es zu der Frage kommen, „soll ich mich denn entwickeln, oder werden mir dann andere Türen verschlossen?“ Demnach dürfe der Einsatz der Assistenzsysteme auch nicht nach betriebswirtschaftlichen Kriterien bewertet werden.
„Wir können Menschen unabhängig von Ort und Zeit die Hilfe bereitstellen, die sie brauchen – das ist eine Riesenchance. Damit können wir auch Entwicklungen der individuellen Personen anregen.“
Die von der GWW entwickelten und eingesetzten Assistenzsysteme sind somit ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie leistungsfähiger Mobilfunk Menschen und der Wirtschaft nutzen kann und zudem trotz Einschränkungen Inklusion sowie Teilhabe an Arbeitsalltag und Erwerbsleben möglich macht.
Veröffentlicht am 31.08.2022