Neue Technologien können die Art, wie wir leben, nachhaltig beeinflussen – das zeigt sich auch beim Mobilfunk. Die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten, die Smartphones & Co. bieten, wirken sich auch auf unser Sozialverhalten aus. Das gilt vor allem für jüngere Nutzer. Die Befürchtung, dies führe zu einer Verarmung der sozialen Kontakte, sehen Experten dabei nicht bestätigt.
Die Möglichkeit, beinahe jederzeit und an jedem Ort erreichbar zu sein, hat unseren Umgang miteinander verändert. Beruflich und privat machen mobile Technologien unsere Kommunikation direkter und unmittelbarer und erleichtern es uns, mit Menschen in Verbindung zu bleiben. Welchen Einfluss das auf unser Kommunikationsverhalten hat, hat unter anderem die Mannheimer Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Angela Keppler in einer Studie untersucht. Demnach findet Kommunikation heute oft auf mehreren Ebenen gleichzeitig statt: „Die Leute reden immer noch miteinander, aber völlig selbstverständlich schauen sie zwischendurch auch auf ihre Smartphones“, so die Forscherin.
Der Einfluss digitaler Kommunikationsmittel auf das Alltagsverhalten zeigt sich besonders deutlich bei Kindern und Jugendlichen, die heute mit Smartphones aufwachsen. Mobilgeräte haben die Art verändert, wie Aktivitäten koordiniert werden, so Prof. Dr. Johannes Fromme, Experte für Erziehungswissenschaftliche Medienforschung und Medienbildung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Statt längerfristiger Absprachen verabreden sich Jugendliche heute eher spontan, aber auch unverbindlicher: Treffpunkte werden kurzfristig geändert oder Verabredungen in letzter Minute abgesagt. Im Hinblick auf soziale Beziehungen sieht Fromme das Handy bei Jugendlichen als „Schaltzentrale des sozialen Netzwerks“. Dabei diene das Mobiltelefon in erster Linie der Aufrechterhaltung und Bestärkung bestehender Kontakte. Andererseits böten Kurznachrichtendienste gerade bei neuen Bekanntschaften eine gute Möglichkeit, den Kontakt zunächst unverbindlich fortzuführen. Zum Aufbau und zur Stärkung von sozialen Kontakten trägt nicht nur die Nutzung von Messaging-Diensten bei: Auch Aktivitäten wie das gemeinsame Anschauen von Fotos und Videos auf dem Handy bzw. das gemeinsame Hören von Musik über das Smartphone fördern laut einer aktuellen Studie der Universität Mannheim die Bindung und den Austausch unter Kindern und Jugendlichen.
Kontaktpflege per Smartphone
Das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) hat in seiner U25-Studie „Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt“ sowie in der U9-Studie „Kinder in der digitalen Welt“ das Verhalten junger und jüngster Nutzer im Hinblick auf digitale Medien untersucht. Die Auswertungen zeigen, dass Kinder und Jugendliche Mobiltechnologien intensiv nutzen, um soziale Kontakte zu pflegen und auszubauen. Ab dem Schuleintritt werden Online-Communities wie Facebook und Messaging-Dienste wie WhatsApp wichtige Kanäle für die Kommunikation mit Freunden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch die aktuellen KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest, welche die Mediennutzung von Kindern (6-13 Jahre alt) und Jugendlichen (12-19 Jahre alt) untersuchen. Wie die DIVSI U25-Studie hervorhebt, wird die Bezeichnung „Freund“ heute differenzierter betrachtet als früher. Die jungen Nutzer unterscheiden bewusst zwischen Facebook-Freunden, persönlichen Bekannten und engen Freunden. So hat etwa die Anzahl der Online-Freunde keinen großen Einfluss auf den Kreis enger Freunde.
Auch bei der Ablösung vom Elternhaus spielen digitale Medien eine wichtige Rolle, da sie Räume bieten, in die Eltern nur zum Teil Einblick erhalten (können). Der Erziehungswissenschaftler Fromme erklärt, Smartphones und Handys unterstützten junge Menschen dabei, außerhalb des familiären Umfelds eigene Beziehungen zu entwickeln und zu pflegen.
Online-Kommunikation ist Ergänzung, kein Ersatz
Die manchmal geäußerte Befürchtung, digitale Medien hätten negative Auswirkungen auf das Sozialverhalten junger Menschen, sieht die DIVSI-U25-Untersuchung nicht bestätigt – im Gegenteil: Die Forscher kommen in ihrer Auswertung zu dem Ergebnis, dass durch die Kombination verschiedener Kommunikationsmittel die soziale Integration in der Familie und im Freundeskreis gefördert werden kann. Zusammen mit der „Offline-Kommunikation“ mit Familienmitgliedern und Freunden leisten digitale Medien nach Ansicht der Autoren einen wesentlichen Beitrag zur Identitätsfindung und zum Selbstverständnis von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch Fromme kommt zu dem Schluss, dass die „Face-to-Face-Kommunikation“ mit dem Freundes- und Bekanntenkreis durch digitale Kommunikationsformen nicht ersetzt, sondern fortgeführt, ergänzt und zum Teil sogar vertieft werden kann. Eine aktuelle Studie der Universität Mainz (Stand: März 2015) über die Auswirkungen intensiven Internetkonsums auf Jugendliche bestätigt einerseits, dass digitale soziale Netzwerke förderlich für die Bindung zu den Gleichaltrigen sind. Andererseits warnt die Studie vor der Gefahr deren exzessiven bzw. suchtartigen Gebrauchs.